VReduMED – Von der Theorie zur Praxis: Testungen und Rückmeldungen
Zwischenbilanz des INTERREG-Projekts VReduMED nach erfolgreichen Pretests mit Studierenden
Train the Trainer: Befähigung von Lehrenden im Bereich der Pflege für XR-basierte Lehrmethoden
Die Pflegeausbildung steht vor großen Herausforderungen. Angesichts des Fachkräftemangels und der steigenden Anforderungen an Auszubildende müssen neue digitale Lehrmethoden effektiv und nützlich sein. Wie können VR und AR dabei helfen, diese Probleme zu lösen und die Pflegeausbildung zu verbessern? In diesem Interview geben Andrea und Anselm von unserem Projektpartner, der OTH Regensburg, Einblicke in ihre innovativen Ansätze und bisherigen Erfahrungen im VReduMED-Projekt.
🗨 Andrea und Anselm, ihr entwickelt im Projekt verschiedene Pflegeszenarien. Welche habt ihr ausprobiert, wie seid ihr vorgegangen?
Um passende Best-Practice-Lösungen zu finden und auch zu testen, haben wir zu Beginn des Projekts eine interne Übersichtsliste mit möglichst allen Anbietern von VR- und AR-Softwarelösungen sowie entsprechende Online-Recherchen bei einschlägigen Plattformen vorgenommen. Ergänzt haben wir diese Ergebnisse mit der Suche nach aktuellen Forschungspublikationen in relevanten Fachdatenbanken, dazu zählen u.a. PubMed, CINAHL, ERIC und Cochrane. VR/AR werden im Bildungswesen in der Pflege hauptsächlich in der Forschung eingesetzt, daher war das natürlich auch erforderlich. Wir haben den Suchzeitraum auf das Jahr 2019 als Startzeitpunkt eingegrenzt, da damals bedeutende Hardwareentwicklungen im Bereich des Stand-alone-Einsatzes stattfanden und diese Studie in Deutschland durchgeführt wurde.
Wir haben dann Testungen mit unseren Bachelor-Studierenden im fünften Fachsemester in zwei unterschiedlichen Gruppen durchgeführt. Der Test diente uns als Pretest, um verschiedene Parameter für die weitere Entwicklung besser abschätzen zu können. Einfache, schnelle und kostengünstige Anatomie-Lösungen waren uns wichtig, daher haben wir uns für den Pretest für eine frei auf Steam erhältliche Anatomie-Anwendung entschieden. Es war uns wichtig, neben spezifischen pflegerischen Lizenz-Anwendungen, die in der technischen Bedienbarkeit oft komplexer sind, auch einfache Lösungen zu testen. Zu den pflegerischen Szenarien, die wir getestet haben, zählten u.a. das endotracheale Absaugen eines Patienten mit einem Katheter durch den Hals oder eine subkutane Injektion bei einem Diabetiker. Wir haben die Szenarien so ausgewählt, dass wir möglichst viele unterschiedliche technische Umsetzungsideen einschätzen konnten.
🗨 Wie war das Feedback der Studierenden? Was hat ihnen beim Pretest gefallen, welche Herausforderungen gab es?
Wir haben erfreulicherweise größtenteils positives Feedback erhalten. Bei der Rückmeldung haben die Studierenden betont, dass vor allem die Anatomieanwendungen eine sehr praxisnahe Umsetzung und Lehre ermöglichen. Die Pflegeanwendungen hingegen haben sie je nach technischer Umsetzung in VR unterschiedlich bewertet. Eine intuitive, einfache Bedienung mit ausreichender Übungszeit zu Beginn der Testung sowie pädagogische Unterstützung und handliche Hardware haben ihnen geholfen, sich schnell einzufinden. Als hinderlich empfanden sie dagegen, dass kein Handtracking genutzt wurde, sondern sie mittels Controller agieren mussten, und dass die Handhabung in fast jeder Anwendung anders war. Einführende Tutorials, die auf das jeweilige Szenario zugeschnitten waren, erwiesen sich nicht in jeder Applikation als für verschiedene VR-Brillen adaptierbar und somit als förderlich. Die Interaktion mit dem Gegenüber stellte ein weiteres Hindernis dar, um sich in die Software einzufinden.
🗨 Welche Antworten haben euch am meisten überrascht oder inspiriert?
Viele Studierende zeigten sich überaus interessiert an der Thematik und waren im Gedankenaustausch hierzu äußerst kreativ. Wir haben festgestellt, dass die Studierenden nicht nur großes Potenzial im Bereich der Lehre und Pflege sehen, sondern auch im gesamten Medizin- und Gesundheitssektor. In VR/AR sehen sie ein künftig wichtiges Instrument, das die Praxis sowie die dort arbeitenden Menschen und vor allem die pflegebedürftigen Menschen bereichert. Die Studierenden überraschten nicht nur mit kreativen Denkszenarien, sondern auch damit, dass sie die Kompetenzen von Lehrenden, die dieses Medium in der Lehre einsetzen möchten, durchaus konkret benennen können. Die angesprochenen Aspekte ähneln hierbei im Bereich der Pädagogik anerkannten Handlungskompetenzen. Die Studierenden betonten hier explizit die notwendige ergänzende technische Kompetenz. Die teils unterschiedlich ausgeprägte Neugier und das damit einhergehende Technikgeschick der Studierenden, die aus einer sehr diversen Personengruppe bestanden, hat ebenso für Verwunderung gesorgt, da der jungen Generation dies meist automatisch zugeschrieben wird.
🗨 Wie geht es nun weiter im Projekt VReduMED bzw. bei eurer Arbeit?
Weil die Pflegeausbildung aktuell vor großen gesamtgesellschaftlichen und politischen Herausforderungen steht, gilt es, bei der Einführung neuer digitaler Lehr- und Lernmethoden zunächst den Nutzen für den Wissenszuwachs zu klären. Zum Fachkräftemangel in der Ausbildung wie auch in den Einrichtungen kommen die wachsenden Anforderungen an das Personal, aber auch eine heterogene Zusammensetzung der Gruppen; auch sprachliche Barrieren treten hier auf. Eine entscheidende Rolle nehmen daher die Personen ein, die in die Ausbildung involviert sind und tagtäglich mit dem Fachkräftenachwuchs in Kontakt stehen.
Nach den Testungen mit den Studierenden steht daher nun die Erstellung eines Train-the-Trainer-Konzeptes für Pflegepädagog*innen und Praxisanleiter*innen in der Pflegeausbildung an. Während Pflegepädagog*innen meist in Pflegeschulen und Hochschulen die pflegerische Ausbildung übernehmen, leiten die Praxisanleiter*innen direkt vor Ort in den Einrichtungen bzw. direkt auf den eingesetzten Stationen an. Unser Konzept muss ein grundlegendes Verständnis der eingesetzten Technik und deren Handhabung vermitteln sowie konkrete Handlungsempfehlungen für die Umsetzung von VR/AR als digitale Lehr- und Lernmethode bieten. Lerneffekte sollen gezielt erzeugt werden – VR/AR soll nicht nur „Spielzeug“ sein. Wir müssen daher Antworten auf die Frage „Wie mache ich einen Lernerfolg sichtbar?“ finden.
Die Entwicklung des Train-the-Trainer-Konzepts erfolgt gemeinsam mit allen Projektpartnern. Im Juni hat die Strategische Partnerschaft Sensorik e.V. mit Prof. Dr. Christa Mohr von unserem Lehrstuhl einen Workshop zur Erstellung des Konzepts durchgeführt. Ende des Jahres starten wir mit Train-the-Trainer-Workshops an der OTH Regensburg und setzen uns mit Pflegeschulen und Einrichtungen für die Testphase zusammen. Ziel ist es, Pflegepädagog*innen und Praxisanleiter*innen zu befähigen, VR/AR-Technologie sicher in Unterricht und Praxis einzusetzen. Die abschließende Testung der Szenarien mit den Auszubildenden wird von der OTH Regensburg wissenschaftlich begleitet.
Anselm Stadler
M.A. Pflegewissenschaft
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Labor Pflegeforschung
OTH Regensburg - Fakultät für Angewandte Sozial- und Gesundheitswissenschaften
Email: Anselm.stadler(at)oth-regensburg.de
Andrea Sattler
Berufspädagogin – Gesundheit und Pflege (M.Sc.)
OTH-Regensburg - Fakultät Angewandte Sozial- und Gesundheitswissenschaften
Lehrkraft für besondere Aufgaben im praktischen Handlungsfeld
Email: Andrea.sattler(at)oth-regensburg.de
VReduMED – Virtual Reality im Gesundheitswesen
VReduMED fördert die Zusammenarbeit zwischen Healthcare Education und Medizintechnikanbietern, insbesondere KMU/Start-ups. Das Projektteam nutzt Virtual Reality als Schlüsseltechnologie, um die Ausbildung von Pflegeschülern zu verbessern, die Weiterbildung von Pflegefachkräften zu bereichern, die Übernahme von MedTech-Assistenzsystemen durch den Pflegesektor zu unterstützen und die gemeinsame Entwicklung bedarfsorientierter MedTech-Lösungen anzustoßen. Das Ziel ist es, die Attraktivität der Pflegearbeit zu steigern und qualitativ hochwertige Pflegedienstleistungen in der Zukunft sicherzustellen.
Laufzeit: 01.04.2023 bis 31.03.2026